Filmreifer Roman «Das Game» erzählt vom Zynismus einer Fernsehshow

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Genève,

Der Roman «Das Game» des Genfer Autors Joseph Incardona erzählt von einer Mutter, die bei einer zynischen TV-Show mitmachen will.

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Der Roman ist rasant erzählt: schnelle Dialoge, schmissige Übergänge, träfe Einzeiler. (Symbolbild) - dpa

«Das Game» erzählt von einer Mutter, die aus finanzieller Not bereit ist, bei einer zynischen TV-Show mitzumachen. Der Roman des Genfer Schriftstellers und Drehbuchautors Joseph Incardona hat Tempo, beim Lesen geht vor dem inneren Auge ein Film ab.

Bereits auf der dritten Seite von «Das Game» ein erster Höhepunkt: Ein Wagen kommt von der Strasse ab und fängt Feuer – und mittendrin Anna. Die Mutter verkauft Brathähnchen und bestreitet damit den Lebensunterhalt für ihren 13-jährigen Sohn Léo und sich. Doch nach dem Autounfall ist alles anders. Ihr überschaubares Leben fällt auseinander; Schulden und die Unsicherheit schnüren ihr die Luft ab.

Dann tut sich eine Möglichkeit auf: Die Teilnahme an einer Fernsehshow. Die Aufgabe: Ein Auto anfassen und einfach nicht mehr loslassen. Wer gewinnt, holt sich den Wagen und damit 50'000 Euro. Klingt einfach. Ist es aber nicht. Freundschaften brechen auseinander, jemand begeht Suizid.

Der 1969 geborene Joseph Incardona ist ein fleissiger Autor. 15 Romane hat er geschrieben, zwei Sammlungen mit Kurzgeschichten verfasst und in Co-Regie einen Film realisiert («Milky Way», 2013). Dazu kommen Theaterstücke und Comics.

Der Autor lebt in Genf, ist Sohn einer Schweizer Mutter und eines italienischen Vaters. Doch trotz seines umfangreichen und vor allem vielseitigen Werks ist Incardona in der Deutschschweiz weitgehend unbekannt; einen Namen hat er vor allem in Frankreich und in der Romandie.

Geschichte hat Rhythmus und Dringlichkeit

Der Basler Lenos Verlag gibt Gegensteuer und übernimmt die Veröffentlichung der Übersetzungen ins Deutsche. Bislang sind zwei Romane erschienen, nun folgt «Das Game».

Der Roman ist rasant erzählt: schnelle Dialoge, schmissige Übergänge, träfe Einzeiler. Zum Beispiel: «Glück ist auch, wenn das Pech nicht reicht.» Nicht selten erinnert das Buch an ein Drehbuch. Vor dem inneren Auge der Leserin oder des Lesers verwandeln sich Szenen in bewegte Bilder. Die Figuren sind plastisch, die Themen aktuell: Medienkrise, Klimadebatte, die allgemeine Überforderung, Verzweiflung und Erschöpfung. Im Zentrum steht eine Mutter, mit der man sich leicht identifizieren kann. Fast scheint es, als wäre der Roman als eine Serie angelegt.

Incardona treibt die Handlungsstränge voran, verdichtet – manchmal auf Kosten der Charaktertiefe und der Zwischentöne. Dabei zoomt er gekonnt hin und her: vom grossen Ganzen auf den täglichen Überlebenskampf von Mutter und Sohn – sie wegen des fehlenden Geldes, er wegen erlebten Mobbings.

Das Surfen, der Wind und die Wellen, die Anna und Léo verbinden, mögen als Metapher für Freiheit und Unabhängigkeit etwas abgegriffen sein. Gleichzeitig ist das Bild beim Blick auf die beiden aber authentisch. Die Sprache ist blumig, bildhaft, ab und an trägt sie eine Spur zu dick auf. Doch das Gesamtpaket vermag zu überzeugen, weil die Geschichte Rhythmus hat und Dringlichkeit.*

*Dieser Text von Raphael Amstutz, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.

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