Influencerin reist alleine nach Indien – und bereut es
Eine Influencerin berichtet von Belästigung und aufdringlichen Männern in Indien. Das EDA warnt vor Alleinreisen, Reise-Experten geben Tipps.
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Das Wichtigste in Kürze
- Eine deutsche Influencerin reist allein nach Indien und wird belästigt.
- Sie sei dumm und naiv gewesen, sagt sie selbst.
- Das EDA warnt: Auch Schweizerinnen und Schweizer können Ziel sein.
- Man solle «als Frau generell eine erhöhte Vorsicht walten lassen».
Imposante Tempelanlagen, leckeres Essen, die vielfältige Landschaft und eine von Spiritualität geprägte Kultur locken viele Reisende nach Indien. Auch aus der Schweiz.
«Indien ist für Frauen ein attraktives Reiseziel», sagt Globetrotter-Sprecherin Sandra Studer. Denn Reisen nach Indien könnten mit einem Yoga- und Ayurveda-Retreat kombiniert werden.
Doch nicht alle machen positive Erfahrungen in dem asiatischen Land. Influencerin Gina vom Kanal «Ginis Reise» teilt ihre Erlebnisse mit ihren Followern.
«Ich war knapp einen Monat in Indien unterwegs», schreibt sie. «Grösstenteils allein. Low Budget. Dumm und naiv.»
Sie berichtet davon, dass ihre Freundlichkeit «falsch verstanden» wurde. Von sexueller Belästigung im Nachtzug. Von einem Mann, der sie verfolgte und plötzlich vor ihrem Hostel auftauchte.
«Da bekam ich schon echt Angst», meint sie. Die Erlebnisse in Indien hätten sie «echt mitgenommen», hält sie fest.
Tatsächlich liegt Indien im Women's Danger Index von 2019 auf dem neunten Platz. Nur Marokko, Ägypten, die Dominikanische Republik, der Iran, Mexiko, Russland, Brasilien und Südafrika sind demnach gefährlicher für reisende Frauen.
Auch Touristinnen fallen Sexualdelikten zum Opfer
In dem 1,4-Milliarden-Einwohnerland werden täglich fast 90 Vergewaltigungen registriert. Grösstenteils sind Inderinnen betroffen.
Das EDA warnt: Auch ausländische Staatsangehörige können Opfer sein.
«Sexuelle Belästigungen kommen sehr häufig vor, besonders in öffentlichen Verkehrsmitteln und grossen Menschenmengen», sagt Sprecherin Elisa Raggi. Es gelte deshalb, «als Frau generell eine erhöhte Vorsicht walten zu lassen und sich einer Gruppe anzuschliessen».
Auch Schweizerinnen wurden in Indien schon Opfer von Sexualdelikten. Im Oktober 2023 wurde eine 36-jährige Zürcherin gefoltert und getötet. Im Jahr 2013 wurde eine Schweizer Touristin vor den Augen ihres gefesselten Ehemannes von bis zu acht Männern vergewaltigt.
«Gewalt gegen Frauen überall ein Problem»
Hans Wettstein von «Insight Reisen» hat lange in Indien und Nepal gelebt. Er bestätigt, dass viele Frauen allein in Indien unterwegs sind. «Das Interesse ist sehr gross, auch aufgrund von Yoga und der ganzen Spiritualität.»
Dass Indien ein für Frauen besonders unsicheres Reiseland ist, stimme aber nicht. «Durch die ganzen Meldungen über Vergewaltigungen entsteht der Eindruck, es sei für Frauen dort speziell gefährlich», so Wettstein. Aber man müsse solche Zahlen immer in Relation zur grossen Bevölkerungszahl sehen.

«Gewalt gegen Frauen ist auf der ganzen Welt ein Problem, nicht nur in Indien», hält Wettstein fest. Und fügt hinzu: «In Zürich übernachtet man als Frau ja auch nicht allein in einem Park.»
Er glaubt: Als Frau allein zu reisen, sei in Indien nicht gefährlicher als in jedem anderen Land. «Man darf einfach nicht naiv sein und muss sich entsprechend vorbereiten», sagt der Indien-Experte.
Gute Vorbereitung ist das A und O
Auch Farrah Mettler von Tour Asia sagt: «Wir beurteilen eine Reise nach Indien nicht gefährlicher als in zahlreiche andere Länder. Als oberstes Gebot eines Touristen gilt, dass man sich der lokalen Kultur und den Begebenheiten anpasst.»
Das sei vor allem in Bezug auf die Kleidung zu beachten. «Zu legere Kleidung oder ein aufreizendes Erscheinen können oft falsch interpretiert werden», so Mettler.
Und: «Sicherlich erste Voraussetzung für eine Reise, egal wohin es geht, ist die Vorbereitung.» Auch die Wahl der Unterkünfte sei wichtig.
Mettler rät: «Hier lohnt es sich gerade in Indien, etwas mehr auszugeben. In einer Billigunterkunft von zehn US-Dollar pro Tag darf man keine Sicherheit und Hygiene von hohem Standard erwarten.»
Alleinreisende Frauen sollen Anschluss suchen
Auch Sandra Studer von Globetrotter empfiehlt alleinreisenden Frauen in Indien, sich im Vorfeld gut über Land und Leute zu informieren.
«In Indien herrscht ein mehrheitlich patriarchalisches System und die Religionen haben einen grossen Stellenwert. Die Stellung der Frau unterscheidet sich grundsätzlich zu unserer in der Schweiz», so Studer.

«Ein guter Start der Reise wäre, sich zum Beispiel einer Tour anzuschliessen. Oder ein Yoga-Retreat, um sich zurechtzufinden», sagt die Globetrotter-Sprecherin. «Wir empfehlen, Anschluss zu anderen Reisenden zu suchen und gemeinsame Ausflüge, Wanderungen und abendliches Programm zu planen.»
Generell hält Studer fest, Indien sei ein «riesiges Land mit einer hohen Armutsrate». Grundsätzlich gelte, gleiche Vorsichtsmassnahmen wie für andere Länder mit grosser Armut zu treffen.
Expertin empfiehlt Selbstverteidigungskurse vor Reise
Sonja Müller Lang, Inhaberin von «Women Travel», erklärt, es gebe in Indien mittlerweile eine «grosse Anzahl von frauenfreundlichen Angeboten».
Wie etwa Frauentaxis in den Städten und Frauenwagen in den U-Bahnen von Delhi. «Von den billigen Stadtbussen rate ich ab.»
«Frauen müssen auf der ganzen Welt eine gewisse Vorsicht walten lassen», sagt die Expertin. Und gibt alleinreisenden Frauen ein paar Tipps mit auf den Weg.
Zum Beispiel, vor einer Reise Selbstverteidigungskurse zu besuchen – denn «selbst ist die Frau». Ausserdem soll man sich vorab im Internet über die relevanten Themen informieren.
Alleinreisende Frauen sollten Fremden auch nicht verraten, wo sie wohnen, und dass sie ohne Begleitung unterwegs sind. Ein weiterer Tipp: «Bei Anmeldungen oder Buchungen kein Mrs, Ms, oder Miss schreiben, sondern nur den Namen verwenden.»
Und zu guter Letzt: «Sich nicht von unqualifizierten Instagram-Posts abschrecken lassen.»